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Oktober 2010 - Ankara

An einem Mittwoch nach zahlreichen nächtlichen Polizeikontrollen erreichen wir mittags Ankara. Auch hier herrscht reger Straßenverkehr, aber dennoch scheint alles etwas geordneter als in Istanbul. Nachdem man mich in Istanbul auf dem iranischen Konsulat wieder weggeschickt hatte, und meinte, das Visum müsse ich per Internet beantragen, will ich mein Glück mal hier in Ankara versuchen. Naja… wo ich gerade von Glück spreche: Das Konsulat war geschlossen, auch Do. und Fr. ist wegen den letzten Ramadantagen, die ausgiebig gefeiert wurden, geschlossen. Heißt!! Montag könne ich wieder kommen. Na… das fängt ja gut an, und das Dilemma mit geschlossenen Behörden hat mich auf der späterenen Reise durch den Iran verfolgt. In Ankara einen geeignten Platz zu finden, wo man ein paar Tage ungestört stehen kann und wo Nea auch ein bisschen Auslauf bekommen könnte, schien fast unmöglich. Auf einem Parkplatz vor einem Universitätscampus wurde ich durch Zufall fündig. Etwas ausserhalb, Ruhe und ein bisschen Grün. Nach dem dritten Tag kam dann Mahmut, ein Security von der Uni morgens zu mir und fragte, was ich den hier so treibe, und warum ich schon zwei Tage hier stehe. Aha… man wird also überall beobachtet. Auch diese Frage: Was machst Du hier? Und wie hast Du den Platz gefunden? Würden mich von nun an auf meiner Reise begleiten. Ich erzählte Mahmut meine Geschichte. Es folgte eine Einladung zum Tee. Wir kommunizierten über Google-Translate, weil niemand in dem Security-Häuschen englisch sprach. Den ganzen Tag verbrachte ich dort zusammen mit seinen Kollegen bei Tee und Lunch. Irgendwie war ich froh über diese Abwechslung, wurde es doch ein bisschen langweilig nach dem zweiten Tag. Zu entdecken gab es hier nichts. Überhaubt ist Ankara ein bisschen langweilig. Naja… morgen gehts zum Konsulat, dann gibt's das Visum und die Reise kann fortgesetzt werden. Am Morgen verabschiedete ich mich noch von allen und fuhr zum Konsulat. In einer Seitenstrasse, einem eingeschränkten Halteverbot, stellte ich Blue ab. Alle parkten dort trotz des Halteverbots, also warum nicht auch ich. Ich fragte noch die umherlaufende Security, und er segnete alles ab.


Vor dem Konsulat schlich ein junger Mann mit einem riesigen Rucksack bepackt herum und suchte den Eingang. Naja… ein Reisender, vielleicht sogar ein Weltreisender. Wir werden sehen. Ich sprach ihn an. Und wir gingen gemeinsam ins Konsulat. Schließlich kannte ich schon den Weg vom vorherigen Mittwoch. Es war Christoph aus Polen, Warschau. Ein netter junger Mann, der schon öfter im Iran war und mir schon eine Menge über das Land erzählen konnte. Das Konsulat kam mir vor wie Alcatras. Durch zwei Schleusen musste man gehen, sein Handy abgeben und sämtliche Taschen. Der Schalter war mit dicken Panzerglas gesichert. Im Warteraum wurde man dann durch nicken des Beamten zum Schalter gerufen. Ich gab meinen Passport und mein Visa-Antrag ab, den ich zuvor schonmal aus dem Netz ausgedruckt und ausgefüllt hatte. Hm… man prüfte, las, prüft, las wieder, ging nach hinten ins Büro, kam wieder, suchte irgendwas in einem Regal und nach 20 Minuten kam der Beamte mit einem Blanko Antrag wieder und meinte ich solle doch das ausfüllen. Es sah genauso aus, aber wahrscheinlich brauchten sie frische Informationen. Kein Problem, also kopierte ich einfach die Daten des ersten Formulars auf's Neue, und das wars. Danach bekam ich einen Schnippsel von Zettel wo eine Bankverbindung drauf stand. Hier sollte ich 50 Euro einzahlen und mit dem Beleg wieder kommen. Also auf zur Bank die drei Blocks weiter war, Geld eingezahlt und wieder zurück. Ich gab wieder alles dem Beamten. Nach einer Weile meinte er dann “10 days” What? Zehn Tage? Ich versuchte noch zu verhandeln, aber nichts zu machen. Im Internet las ich dass man ein Visum von einem auf den anderen Tag bekommen kann. Aber diese Informationen schienen veraltet. Nun gut… man kann sich ärgern oder es einfach so hinnehmen. Ändern kann ich es eh nicht, also warte ich 10 Tage. Die Frage war nur, wo? Auch Christof hatte das Problem und musste 10 Tage warten. Sein Budget ist knapp und wir versuchten ein günstiges Hostel in Ankara zu finden, was schier aussichtslos war. Schließlich nahm ich ihn mit in meinem Bulli auf. Wir fuhren etwas ausserhalb ins Niemandsland nach Elmadag. Auch hier gab es weder Hotels noch Hostels. Man schien hier sowieso zum ersten Mal Touristen zu Gesicht zu bekommen. Man begrüßte uns zwar nett und freundlich, aber sogleich wurden wir auch prüfend beobachtet. Naja… wer weiss was die sich so gedacht haben, was zwei junge Männer in einem Bulli so treiben. Christof schlief auf den Vordersitzen und ich hätte nie gedacht, dass es tatsächlich möglich wäre.


Am 4. Tag kam dann die Polizei und meinte wir sollten den Platz verlassen. Kein Problem, wir räumten alles ein und wollten gerade los, als sie wieder zurück kamen. Sie wollten uns den Weg zeigen, raus aus dem Dorf. Wir hatten zwar allein hier her gefunden und hätten auch wieder zurück gefunden, aber man will ja nicht unhöflich sein, also ließen wir uns eskortieren. Nach ca. 1,5 km hielten die Beamten an. Einer der beiden stieg aus und meinte jetzt, sie wolten mit uns auf's Revier fahren. Wieso, wussten die wahrscheinlich selbst nicht. Christof wurde langsam angstlich. Na ich hoffe der Typ hat nichts zu verbergen. Zunächst wollte ein Polizist bei uns mitfahren, zur Sicherheit, dass wir nicht türmen. Scheinbar kannte er nicht die wahnsinnige Geschwindigkeit von Blue. Nea ließ ihn aber nicht rein, also nahm man Christof mit ins Polizeiauto, was ihn noch bleicher werden lies. So wurden wir aus dem Dorf zur Polizeistation eskortiert. Zeitweise fuhren Sie recht zügig, ich ließ mich aber nicht hetzen, schließlich wollte ich mit Blue noch weiter fahren und nicht den Motor hier in der Türkei nur wegen ein paar gelangweilten Polizisten schroten. Das merkten sie auch schnell und verlangsamten ihre Fahrt. Irgendwie musste ich über diese ganze Aktion schmunzeln. Da werden Touristen von der Polizei aus einem Ort  eskortiert, während die Bewohner gaffend am Strassenrand standen. Es schien sich herumgesprochen zu haben, fehlte nur noch das jubelnde geklatsche


Auf der Polizeistation wurden wir freundlich und herzlich vom Chef persönlich begrüsst. Vielleicht ein Psychotrick, also vorsicht. Man bot uns Tee an und fragte das Eine oder Andere. Beispielsweise, wie wir diesen Platz gefunden haben und was wir dort machen würden. Hm… hoffentlich ist nichts im Tee. Plötzlich wurde Christoph ausschweifend, was unsere Situation wahrscheinlich nur noch verschlimmert hätte. Wir haben zwar nichts angestellt, aber alles brauchen die nun auch nicht wissen. Gut dass sein English kaum jemand versteht, weil er mehr nuschelt als spricht, sogar ich hatte teilweise meine Probleme. Ich ermahnte ihn und nichts von mysteriösen Tieren zu erzählen, die wir aus Spass erfunden hatten, weil wir nachts seltsame Geräusche manchmal hörten.
Da die Polizisten kein oder nur sehr eingeschränkt englisch sprachen, wurde kurzerhand ein Arzt aus einem OP im Krankenhaus nebenan herbeigerufen. Die Wartezeit überbrueckte man mit Ratespielen. So sollte ich das Alter von jedem Polizisten im Raum schätzen. Ein gefährliches Unterfangen, da ich noch nicht sicher war wie die so drauf waren. Immerhin war man nett und freundlich, dennoch zog man sämtliche Dokumente ein. Ich fühlte mich unwohl bei diesem Spiel und tippte extra niedrig, blieb höflich und freundlich. Das freute alle und endlich kam der Arzt. Scheinbar direkt aus dem OP. Er roch noch danach und hatte seine OP-Kleidung noch an. Nur Bluttropfen fehlten noch auf seiner Kutte um das Bild zu komplettieren. Und wieder bekamen wir Tee, wurden gefragt, was wir an dem Platz gemacht haben, wie wir ihn gefunden hatten, und, und, und… Ich erzählte von der Weltreise, Christoph war jetzt einfach mal ein Freund und würden zusammen reisen, auf das Visum für den Iran warten und wir hätten nicht genug Geld für ein Hotel, deshalb schlafen wir im Auto. Man verstand es gab uns… (nebenbei wurden ALLE Passdaten in einen PC gehackt) …aber auch zu verstehen, dass es ein gefährlicher Ort sei wo wir waren. Manche Gruppen würden sich dort ab und an Schusswechsel  liefern. Tatsächlich fanden wir einige leere Patronenhülsen und einen Tag zuvor hörten wir auch Schüsse in nächster Nähe, als wir ein Lagerfeuer machten. Wir dachten es wären Jäger obgleich die Salven doch sehr nahe an uns heran kamen. Ich erzählte nichts davon, Christoph hampelte schon rum und wäre fast geplatzt um unsere Erlebnisse zu schildern. Man bot uns einen Platz für die Nacht neben der Polizeistation an. Aber ehrlich gesagt, hatte ich kein Interesse daran zwischen Polizeistation und Krankenhaus zu übernachten, so sicher das auch schien. Ich erklärte den Polizisten, dass wir dann weiter fahren nach Kirkkale und dort ein bis zwei Tage bleiben um auf das Visum zu warten. Kein Problem, der Polizeichef wird uns dann noch zur Autobahn eskortieren und uns den Weg zeigen. Irgendwann dann nach 2 Stunden Frage und Antwortspiel, Kontrolle und Dateneingabe waren wir wieder frei. Draußen bewachten 4 bewaffnete Beamte Blue vor neugierigen Passanten und Kindern. Der Polizeichef fuhr dann vor, geleitete uns zur Autobahn und verabschiedete sich mit einer freundschaftlichen Umarmung nachdem er uns noch den Weg erklärte. Vielleicht war doch nicht so falsch. Hinterher kam es mir so vor, als kontrollierten sie uns nur aus reiner Langeweile und Neugier. Egal…. Bloß weg hier und nochmal freundlich winken.


Wir kamen genau 2 km weit als uns zwei Männer auf der Autobahn stoppten. Sie fanden Bluee so klasse und luden uns zum Tee und essen in einem Rasthaus ein. Wir verstanden uns kaum, da keiner von denen Englisch sprach bzw. nur Brocken. Einer der beiden rief nacheinander seine Freunde an und bat mich mit ihnen deutsch zu sprechen, als Gag. Er wollte einfach nur seine Freunde ärgern und lachte sich kaputt.
Nach 10 Tagen und Nächten, die Christoph auf den Vordersitzen verbracht hatte, 3 Polizeikontrollen, einer Menge Nerverei, aber auch viel Spass war es nun endlich so weit. Früh am Morgen fuhren wir voller Erwartung zum Konsulat. Ich bekomme mein Visum und kann es am nächsten Tag abholen. Christoph's wurde abgelehnt, weil er keine Adresse angegeben hatte, wo er wohnen wird im Iran. Ich habe eine Pseudo-Adresse angegeben, die sie scheinbar geschluckt haben. Ich brachte Christoph noch zur Busstation, die mich an ein Airport-Terminal erinnerte mit zahlreichen Schaltern und Busunternehmen. Er kaufte ein Ticket nach Troja. Kosten 4 Euro. Ich dachte, das gibt's doch garnicht. Da kann man fuer 4 Euro quer durch die Türkei fahren und wird auf der Fahrt sogar noch verköstigt. Wir verabschiedeten uns.


Ich fuhr wieder zurück zum Campus-Parkplatz, wo ich zuvor schon einmal war, um meine letzte Nacht in Ankara zu verbringen. Irgendwie war ich froh wieder allein zu sein, aber dennoch fehlte auch was. Am Morgen fuhren Unmengen von Bussen auf den Parkplatz. Die Busfahrer traten näher, um sich Blue anzusehen. Sogleich wurde ich zum Tee eingeladen. Aus einer Cola-Dose, die ich am Vorabend bekam bastelte ich einen Aschenbecher, und schenke ihn einem Busfahrer. Verblüfft über die Geste und die Art wie man aus einer Getränkedose einen Aschenbecher faltet, zeigte er es überall stolz herum. Einer seiner Kollegen kam aus dem Staunen garnicht mehr raus: Allah…, Allahh.. Brachte er nur zu stande. Und bekam den Mund nicht mehr zu. Ein weiterer schien Hundeverrückt und rannte stundenlang mit Nea über den Parkplatz und Campus. Einer der Busse musste zum Tanken. Man nahm mich mit und nutzte den Umstand gleich für eine kleine Stadtrundfahrt. So verbrachte ich den ganzen Vormittag mit diesen Busfahrern. Als ich dann am Nachmittag nochmal selbst ein bisschen durch Ankara gefahren bin und zum Konsulat, schien mich jeder zweite Busfahrer zu kennen. Man hupte, grüsste oder ließ mich passieren, wenn der Verkehr zu dicht war. Man muss wissen, in der Türkei haben normalerweise Busse und Taxen immer vorfahrt.
Um 16:30 Uhr bin ich dann ins Konsulat um mein Visum abzuholen. Der Beamte, der immer der selbe war, fragte nach meinem Pass. Diesen hatte er allerdings am Vortag behalten, was mich eh schon wunderte. Zunächst stritt er ab meinen Pass zu haben, fand ihn dann aber doch nach dreimaligem durchsuchen seines Büros unter irgendwelchen anderen Unterlagen. Er entschuldigte sich tausendmal und wünschte mir einen angenehmen Aufenthalt im Iran.
So hielt ich um 16:52 Uhr mein Visum für den Iran in der Hand. Ich konnte es kaum erwarten Ankara zu verlassen und fuhr sofort los in Richtung Erzurum und Grenze.

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